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Fränkischer Theatersommer

Kampf gegen die Engel

Die biblische Geschichte der Frau Lot einmal anders erzählt: Im afrikanischen Tanztheater mit Ange Aoussou und Paula Führer erleben die Besucher in Presseck eine außergewöhnliche Aufführung.

Im vom Fränkischen Theatersommer präsentierten Tanztheater „Frau Lot und ihr Kampf gegen die Engel“ in der gut besuchten Hl. Dreifaltigkeitskirche in Presseck haben die Besucher eine höchst ungewöhnliche und von ]an Burdinski dramaturgisch exquisit inszenierte Fassung zu sehen bekommen, die überraschte und zum Nachdenken anregte. Die Geschichte von Lot, dem Neffen Abrahams, in der zwei Engel in der Stadt Sodom, die nach einem Gottesgericht zerstört werden soll, nach Gerechten suchen, um sie zu retten, ist den mit gewissen Bibelkenntnissen Ausgestatteten hinlänglich bekannt – und auch die Tatsache, dass die Engel Lot, seiner Frau und den beiden Töchtern, die sie für würdig zur Rettung erachteten, verboten, zur brennenden Stadt zurückzublicken. Frau Lot tut dies dennoch und wird insofern bestraft, als dass sie zur Salzsäure erstarrt.
Wie kann Gott das tun?
Der in Lome, der Hauptstadt Togos, geborene Autor Senouvo Agbota Zinsou, der seit 1993 als politischer Flüchtling in Bayreuth lebt, betrachtet die Geschichte aus einer anderen Sicht als der allgemein bekannten. Für ihn stellt die Tatsache, dass Frau Lot für ihre Sünde, nicht Gottes Befehl gehorcht zu haben, hart bestraft wurde, nicht ein unumstößliches, in Stein gemeißeltes Judikat dar. Sie darf bei ihm zweifeln und vielerlei Fragen aufwerfen: Wie kann Gott verlangen, eine Stadt, in der sie ihr Leben verbracht hat, zu verlassen, ohne einen Blick nach rechts und links werfen zu dürfen, wo er sie doch frei erschaffen hat? Wie kann der gütige Gott, der das Böse verabscheut, selbst so etwas tun, indem er eine Stadt zerstört samt aller ihrer Bewohner. Handelt es sich bei den Engeln wirklich um Engel, denen man folgen muss? Senouvo Agbota Zinsou verpasst der Geschichte einen aktuellen Anstrich, indem er sie mit der heutigen Zeit vergleicht, in der Flüchtlinge in Scharen ihre Heimat verlassen, um dem Terror zu entgehen. Zwar werden gutgläubige Christen wohl lauthals Blasphemie deklarieren, wenn die Engel mit Terroristen verglichen werden, die einen heiligen Krieg führen gegen alles Böse dieser Welt und bei denen nur die Tugendhaften noch leben dürfen. Allerdings – Übereinstimmungen der Sichtweisen und Motive, weswegen Sodom und Gomorrha dem Erdboden gleichgemacht wurden und weswegen Terrororganisationen wie der Islamische Staat mit ihrer ungebremsten Zerstörungswut alles auslöschen, was nicht ihren Wertvorstellungen entspricht und sogenannte „Ungläubige“ hinrichten, sind nicht von der Hand zu weisen. Ange Aoussou, die von der Elfenbeinküste stammt, mit Tanz und Gesang, und die Dresdnerin Paula Führer, mit Tanz und Sprache, gelingt es überzeugend, die Gefühle von Frau Lot, die mit ihrer „Salzwerdung“ aus allem Vergnügen, aus Leidenschaften und Träumen, aus dem Leben gerissen wird, und deren Infragestellen von allem zu vermitteln. Vor allem die Tanzdarbietungen der beiden Frauen, insbesondere von Ange Aousou, erzielen eine famose Wirkung. Jana Schmück (Regie, Choreographie, Musikauswahl) und die Elbersreutherin Edina Thern, die sich für sich die Ausstattung verantwortlich
zeichnet, ist es gelungen, die ungewöhnliche, durchaus auch gewöhnungsbedürftige Inszenierung, die
sicherlich auch nicht für jeden geeignet ist, durchdacht und spannungsvoll umzusetzen. Die dramaturgische Gestaltung durch Jan Burdinski ist mehr als gelungen, die nicht alltägliche, imposant und intensiv eingesetzte Musik mit avantgardistischen Elementen gibt der Aufführung einen besonderen Reiz. Der ziemlich am Ende des Stückes ein Resümee ziehende Satz „Der Schwefel- und Feuerregen fällt mal hier, mal da – doch nicht, weil es Gottes Wille war!“ gibt dem Publikum nochmals einen Anreiz zum Nachdenken- wie überhaupt das gesamte Stück.

(Von Rainer Unger)

 

 

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